Schlagwort: Antiromaismus

“Unfassbare Geschichtsvergessenheit” Anlässlich des Gedenkens an den Holocaust kritisiert Amaro Foro e.V. die geplanten Sonderlager für Balkanflüchtlinge und die „sicheren Herkunftsstaaten“

Mittlerweile sind die ersten Sonderlager für Menschen, die aus den Balkanstaaten nach Deutschland geflohen sind, in Bayern eingerichtet. Da eine solche Ankündigung nach wie vor auch für Sachsen im Raum steht, verweisen wir auf die Pressemitteilung von Amaro Foro e.V.
Sollten dieser Ankündigung Taten folgen, werden wir dies nicht unwidersprochen lassen.

“Unfassbare Geschichtsvergessenheit”
Anlässlich des Gedenkens an den Holocaust kritisiert Amaro Foro e.V. die geplanten Sonderlager für Balkanflüchtlinge und die „sicheren Herkunftsstaaten“

Die von Horst Seehofer vorgeschlagenen Sonderlager für Balkanflüchtlinge – viele von ihnen Roma – kritisiert Amaro Foro e.V. auf das Schärfste. „Anlässlich des 2. August wird in Deutschland von Sinti und Roma des Genozids im Nationalsozialismus gedacht. In der Nacht zum 2. August wurden in Auschwitz fast 3000 Menschen im sogenannten Zigeunerlager ermordet. Es ist unfassbar, dass heute ein Ministerpräsident in Deutschland tatsächlich Sonderlager für eine bestimmte Gruppe von Flüchtlingen vorschlagen kann, ohne sofort zurücktreten zu müssen“, so Merdjan Jakupov, Vorsitzender von Amaro Foro e.V. und selbst Rom aus Mazedonien.

Bereits im letzten Jahr wurden Mazedonien, Serbien und Bosnien-Herzegowina zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt, sodass Asylbewerber von dort inzwischen nach einem Schnellverfahren wieder abgeschoben werden können. Aktuell wird diskutiert, Albanien und das Kosovo ebenfalls zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. „Bisheriger moralischer Tiefpunkt der Debatte ist jedoch der Vorschlag von Horst Seehofer, Flüchtlinge aus den Westbalkanländern in gesonderten Lagern unterzubringen, um sie möglichst schnell wieder abschieben zu können. Da in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem Roma aus diesen Ländern in Deutschland Asyl beantragen, schlägt Seehofer de facto Sonderlager für eine bestimmte ethnische Gruppe vor“, kritisiert Pressesprecherin Andrea Wierich. „Ebenfalls indiskutabel ist der Vorschlag vom Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge Manfred Schmidt, Flüchtlingen aus den Westbalkanländern das Taschengeld zu streichen.“

Die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten beruht auf einer sehr einseitigen Auslegung des Begriffs der politischen Verfolgung. Nicht nur ein von Pro Asyl in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, sondern auch die Richtlinien des Europäischen Rates legen fest, dass eine politische Verfolgung nicht zwingend von staatlichen Akteuren ausgehen muss – entgegen der aktuellen Auslegung der Bundesregierung. Die Richtlinien des Europäischen Rates legen fest, dass Flüchtlinge dann nicht abgeschoben werden dürfen, wenn ihnen ein „ernsthafter Schaden“ droht, der auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen kann, etwa Menschenrechtsverletzungen oder Übergriffe durch die Justiz (vgl. Art. 2, 6 und 8 der Richtlinie). Die Bundesregierung erkennt jedoch nur schwerwiegende staatliche Repressionen als politische Verfolgung an.

„Das ist auch der Grund für die extrem niedrigen Anerkennungsquoten von Asylanträgen aus den Westbalkanländern. Deutschland ist hier als Hardliner einzustufen – die Anerkennungsquote für Asylanträge aus Mazedonien etwa liegt in Deutschland bei 0,6 Prozent, in Frankreich jedoch bei 16,9 und in der Schweiz gar bei 22,2 Prozent“, erklärt Wierich. „Auch die Einstufung von Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsländer ist deshalb eigentlich nicht mit europäischem Recht vereinbar.“

„In den Westbalkanstaaten sind Roma sowohl vom Arbeitsmarkt als auch vom Bildungs- und Gesundheitssystem ausgeschlossen. Sie leben in undokumentierten, offiziell nicht existierenden Slums und sind gewalttätigen Übergriffen sowohl durch rechte Gruppierungen als auch immer wieder durch die Polizei ausgesetzt“, so Jakupov. „Sie haben keinen Zugang zu Sozialleistungen; elementare Bürgerrechte scheinen für sie nicht zu gelten. Hinzu kommt, dass Mazedonien – vom Westen bisher weitgehend ignoriert – dabei ist, sich zu einer Diktatur zu entwickeln. Präsident Nikolai Gruevski schürt Spannungen zwischen ethnischen Gruppen, um seine Macht zu festigen, die Medien sind gleichgeschaltet und es gibt politische Gefangene – etwa Oppositionelle und kritische Journalisten. Weitgehend unbekannt ist bisher auch, dass bei der Polizeiaktion im Mai, bei der es 22 Tote gab, die Opfer vor allem Roma waren.“

„In Serbien ist die Situation von Roma ähnlich. Dort können rassistische Mobs ungestraft zu Hate Crime gegen Roma aufrufen, gewalttätige Übergriffe sind keine Seltenheit“, erklärt Violeta Balog, serbische Romni und Gründungsmitglied von Amaro Foro e.V. „Es ist unfassbar, dass dennoch Roma aus den Westbalkanstaaten in Deutschland nicht als schutzbedürftig anerkannt, sondern als Wirtschaftsflüchtlinge diskreditiert werden. In einem Land, in dem es bereits einmal Sonderlager für Roma gab, ist eine solche Geschichtsvergessenheit unfassbar.“

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Amaro Foro e.V. ist eine interkulturelle Jugendselbstorganisation von Roma und Nicht-Roma mit dem Ziel, Menschen durch Empowerment gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und einen Raum zu schaffen, in dem sich Roma und Nicht-Roma begegnen können. Der Vereinsname ist Romanes (Sprache der Roma) für „Unsere Stadt“.

Sächsischer Flüchtlingsrat: Abschiebelager in Sachsen grundrechtswidrig und Wasser auf die Mühlen von Rassist*innen

Im Folgenden dokumentieren wir die PM des Sächsischen Flüchtlingsrates zur Idee der Landesregierung, spezielle Abschiebelager für bestimmte Gruppen von Asylsuchenden zu schaffen:

“Die Äußerungen der Landesregierung sind Wasser auf die Mühlen von Rassist*innen und Asylgegner*innen. Der SFR fordert ein Ende der Diskussion um die Etablierung spezieller Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete aus dem Balkan.

Bereits am vergangenen Sonntag äußerte sich der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer zur Einrichtung spezieller Erstaufnahmeeinrichtungen, sogenannter „Abschiebelager”, welche mit Asylsuchenden, die eine geringe Chance auf einen positiven Ausgang des Asylverfahrens haben, belegt werden sollen. In den letzten Tagen folgten ihm der sächsische Innenminister Markus Ulbig, welcher von einer „Konzentrierung” an bestimmten Standorten sprach, und der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich, welcher wiederum erklärt, dass diesbezüglich eine Aufforderung des Bundes vorliegt – dem ist nicht so!

Eine gesonderte Unterbringung von Geflüchteten und Asylsuchenden, vor allem aus der Balkanregion, in speziellen Erstaufnahmeeinrichtungen, welche einzig und allein der schnelleren Abwicklung einer möglicher Weise bevorstehenden Abschiebung dient, würde in jedem Fall auf ethnische oder nationale Zugehörigkeiten abzielen und verletzt sowohl Artikel 1 wie auch Artikel 3 des Grundgesetzes. Der Grundsatz, dass niemand wegen seiner Abstammung, seiner „Rasse” oder seiner Heimat und Herkunft benachteiligt werden darf, würde hinfällig werden.

Das Problem liegt aber noch tiefer. Bereits die Bundesregelung zu sicheren Herkunftsländern sorgt für eine Ungleichbehandlung Asylsuchender im Rahmen ihres Verfahrens. So findet im Falle der Herkunft aus einem sicheren Herkunftsland ein beschleunigtes Asylverfahren statt, in dem eine Einzelfallprüfung nicht mehr gewährleistet ist. Eine Anerkennungsquote weit unter dem EU-Schnitt ist die Folge. Eine Ausweitung dieser Regelung auf weitere Balkanstaaten bedeutet, dass die Durchführung eines fairen Asylverfahrens zunehmend erschwert wird. Bislang zählen Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu den „sicheren Staaten” auf dem Balkan. Hinzukommen sollen nach Ansicht führender Politiker von CDU, SPD und Grünen auch Albanien und der Kosovo. Die Absurdität des Vorhabens wird im letztgenannten Beispiel besonders deutlich. Der Kosovo verfügt über eingeschränkte Souveränitätsrechte und wird von zahlreichen EU-Mitgliedsländern, so beispielsweise von Spanien, Griechenland, der Slowakei oder Rumänien, nicht als Staat anerkannt. Es stellt sich die Frage wie es unter derartigen Bedingungen „sicher” sein kann. Besonders für Roma ist der Alltag im Heimatland von Ausgrenzung und Verfolgung gekennzeichnet. Struktureller Rassismus äußert sich im Ausschluss aus dem Gesundheits-, Sozial- und Bildungssystem sowie im Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie erfüllen damit durchaus die Voraussetzungen um außerhalb ihres Landes Asyl zu suchen.

Die sächsische Landesregierung gießt mit ihren Äußerungen Wasser auf die Mühlen von Rassist*innen und Asylgegner*innen, welche schon seit Monaten mit derartigen Forderungen gegen Geflüchtete und Asylsuchende hetzen. Besonders in Sachsen müssten die Erfahrungen mit PEGIDA, der angespannten Situation in Freital und in anderen Orten sowie die steigende Anzahl fremdenfeindlicher Übergriffe endlich zu einer anderen Politik als der der Abschottung und Restriktion führen.”

Den Sächsischen Flüchtlingsrat e.V. findet ihr hier

04.06.2015 Solikonzert für die Gruppe gegen Antiromaismus

Das Konzertkollektiv “Nein Doch Massaker” organisiert am Donnerstag, den 04.06.2015 ein Konzert, dessen Erlös an die Gruppe gegen Antiromaismus Dresden geht:

Bands:

Drip of Lies (Hardcore Punk):

https://dripoflies.bandcamp.com/

Bagna (Hardcore Crust):

https://bagna.bandcamp.com/

Wann? 04.06.2015 – 20:00

Wo? Wums, Columbusstraße 2 Dresden

Die Soligruppe gegen Antiromaismus Dresden entstand im Jahr 2013. Anlass waren die antiromaistischen Ausschreitungen in Tschechien, zu denen es nur 50km Luftlinie von Dresden entfernt seit einigen Jahren regelmäßig kommt. Für die Gruppe ist klar, dass Solidarität nicht an der Staatsgrenze aufhören kann. Und so versuchen sie seit dieser Zeit in enger Zusammenarbeit mit Menschen aus der Tschechischen Republik – Rom*nja wie Nicht-Rom*nja – dem wachsenden Antiromaismus etwas entgegenzusetzen. Die Gruppe fährt z.B. gemeinsam auf Gegendemonstrationen, auch haben sie einen Vortrag zu den Ereignissen in Tschechien organisiert und ein Konzert mit Hip-Hop-Bands von dort veranstaltet. Die Region Usti nad Labem und die Zusammenarbeit mit ihren Partner_innen dort ist weiterhin ein Schwerpunkt der Gruppe. Sie wollen sich darüber hinaus in Zukunft aber auch mehr mit der Situation diesseits der Grenze auseinandersetzen, Kontakte knüpfen und sich solidarisch zeigen.

http://gegenantiromaismus.org

http://freelety.org/de/

organisiert von:

neindochmassaka.noblogs.org

Ein herzliches Dank an das Konzertkollektiv!

Bildungsfahrt zum Gelände des ehemaligen KZ Lety in Tschechien

Wir organisieren für Samstag, den 16. Mai eine Bildungsfahrt zum ehemaligen KZ Lety in Tschechien und lädt alle Interessierten zum Mitkommen ein. Hier ist unser aktueller Planungsstand:

Am 13. Mai beginnt ab 12 Uhr das Programm der offiziellen Gedenkfeierlichkeiten, das vom Komitee für die Entschädigung des Roma-Holocaust in der Tschechischen Republik organisiert wird. Am selben Tag will die NGO Konexe mit der Blockade der Schweinmastanlage auf dem ehemaligen Gelände beginnen, die bis zum 16. Mai, dem international Romani Resistance Day, aufrechterhalten werden soll.

Wir werden am Morgen des 16. Mai mit einer Autokolonne von Dresden nach Lety fahren. Dort werden wir von einer Vertreterin des Free Lety Movements eine Führung über das Gelände bekommen und Konexe bei seinen Aktionen unterstützen. Am Abend fahren wir dann gemeinsam zurück nach Dresden.
Um die Fahrt planen zu können, brauchen wir von allen, die mit uns gemeinsam nach Lety fahren wollen, eine Rückmeldung bis zum 10. Mai unter solidarity_not_charity [at] riseup.net.

Wir hoffen, dort vielen Interessierten die aktuelle Lage in Lety vermitteln zu können und gemeinsam unsere tschechischen Freund_innen in ihrem Kampf zu unterstützen.

weitere Infos findet ihr auf folgenden Seiten:

– zu den Planungen von Konexe: https://www.facebook.com/pages/Blok%C3%A1da-LetyLety-Blockade/422455881265677

– das Programm der offiziellen Gedenkfeier: http://www.fondholocaust.cz/sites/default/files/pozvanka_pietni_akt_lety_2015.pdf

– Hintergrundinformationen zum 16. Mai: http://www.sintiundroma.de/en/sinti-roma/the-national-socialist-genocide-of-the-sinti-and-roma/extermination/resistance.html
http://www.ergonetwork.org/ergo-network/news/131/000000/16-of-May-Romani-Resistance-Day/

Mobi-Vortrag in Chemnitz

Vortrag »Free Lety«
Würdiges Gedenken an den Porajmos statt Schweinemast

Donnerstag, 07.05.2015, 19:00 Uhr
ODRADEK Chemnitz
Leipziger Straße 3

Auf dem Gelände des ehemaligen KZ Lety (Tschechien, ca. 70 km südlich von Prag) befindet sich seit 1973 eine industrielle Schweinemastanlage. Anstatt an die Opfer des Völkermords an dieser Stelle zu erinnern – die Schweinemast also endlich zu schließen – straft die tschechische Gesellschaft und Politik die Opfer und deren Nachkommen seit Jahrzehnten mit Ignoranz, vor allem aber Arroganz.

In diesem Lager wurden über 400 Roma ermordet, Kinder und Frauen vergewaltigt und gequält oder in einem nahe gelegenen See ertränkt. In den Wäldern der Fürstenfamilie Schwarzenberg (auf deren Intention der zunächst noch als Internierungslager geführte Ort entstand) mussten Männer zum Beispiel im Steinbruch schwere Arbeit verrichten und die Straße, welche heute zur Schweinmastanlage führt, bauen. Lety war darüber hinaus auch der Ausgangspunkt für eine Todesreise ohne Rückkehr: Auschwitz.

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Audiobeitrag von Radio Blau (Leipzig)

Das Leipziger Radio Blau hat einen Beitrag bei Freie Radios zum Engagement von Konexe (Ústí nad Labem) veröffentlicht. Im Interview kommen Miroslav Brož und Josef Miker von Konexe zu Wort und erläutern die aktuelle Situation vor Ort und sprechen über vergangene und kommende Kämpfe um an der Lage etwas zu verändern.

Leipziger Fussballverein solidarisiert sich

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Beim letzten Heimspiel des Roten Stern Leipzig zeigten Fans und Spieler des Vereins Banner und verlasen ein Statement zum ehemaligen Konzentrationslager in Lety.

Wir danken allen Beteiligten! Grüße nach Leipzig!

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Infoveranstaltung zu Aktionstagen in Lety

Kampagne für ein würdiges Gedenken an den Porajmos.

Dresden
Mittwoch, 29.4.15, 20 Uhr
Kosmotique, Martin-Luther-Straße 13

Leipzig
Mittwoch, 29.04.15, 19 Uhr
Fischladen, Wolfgang-Heinze-Straße 22

„Ihr könnt wählen: mehr Geld für Bildung oder wir kaufen die Schweinemastanstalt“ – so antworteten tschechische Politiker in der Vergangenheit, wenn sie von Rom_nija zur Schließung der Schweinemastanstalt auf dem Gelände des einstigen “Zigeunerlagers” Lety bei Pisek aufgefordert wurden.
Im von den Deutschen besetzten Protektorat Böhmen und Mähren wurden ab 1939 Rom_nija inhaftiert, die aus verschiedenen anderen okkupierten Gebieten geflohen waren bzw. umgesiedelt wurden. Auch Lety bei Písek war ein solches Lager, eingerichtet noch unter der Leitung tschechischer Beamter. Mehrere hundert Rom_njia wurden dort zu schwerer Arbeit gezwungen und ermordet; im Frühjahr 1943 wurden die Gefangenen zum großen Teil nach Auschwitz deportiert.

Im Jahr 1973 ließ die damalige kommunistische Regierung der Tschechoslowakei eine große, industrielle Schweinemastanstalt auf dem Gelände des einstigen Lagers in Lety bauen. Sie ist bis heute in Betrieb, obwohl es in den vergangenen zwanzig Jahren immer wieder Proteste und EU-Resolutionen gegeben hatte, die die Schließung der Schweinemast auf dem Gelände forderten.

In der mangelhaften historischen Aufarbeitung des Porajmos spiegelt sich die prekäre Situation von Rom_nija in Europa und auch in Tschechien wieder. Antiziganistische Stereotype bis hin zum offenen Hass und Gewalt gegenüber Rom_nija sind in der Mehrheitsgesellschaft weit verbreitet. Roma und Romnija werden auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt und in anderen Bereichen ihres Lebens diskriminiert. Das Schulsystem ist nahezu durchgehend segregiert.

Der Einsatz für ein würdiges Gedenken an den Porajmos ist deshalb auch ein politisches Zeichen für die Gegenwart.

Mitglieder des Free Lety-Movements aus Tschechien und Deutschland informieren am Mittwoch, den 29.4. ab 20 Uhr in der Kosmotique (Martin-Luther-Straße 13) über die Geschichte von Lety, die aktuelle Kampagne und die Aktionstage in Lety am 13.-16. Mai 2015. Wir wollen besonders diskutieren, wie eine Unterstützung von deutscher Seite aussehen kann.

Das kann so nicht stehen bleiben

Pressemitteilung zur Vortragstour tschechischer Roma-AktivistInnen durch zehn Städte in Deutschland über die Kampagne „Free Lety“ – Für ein würdiges Gedenken an den Porajmos

Tschechische AktivistInnen der Organisation Konexe (Ústí nad Labem) bereisen derzeit zehn Städte in Deutschland, um über die Situation tschechischer Roma zu berichten. Vor allem steht die Situation in Lety bei Písek im Vordergrund, wo auf dem Gelände eines ehemaligen Konzentrationslagers für Rom_nija heute eine Schweinemastanstalt in Betrieb ist.

„Ihr könnt wählen: mehr Geld für Bildung oder wir kaufen die Schweinemastanstalt“ – so antworteten tschechische Politiker in der Vergangenheit, wenn sie von Rom_nija zur Schließung der Schweinemastanstalt auf dem Gelände des einstigen „Zigeunerlagers“ Lety bei Pisek aufgefordert wurden.

Im von den Deutschen besetzten Protektorat Böhmen und Mähren wurden ab 1939 Rom_nija inhaftiert, die aus verschiedenen anderen okkupierten Gebieten geflohen waren bzw. umgesiedelt wurden. Das „Gesetz betreffend Zigeuner und ähnlicher Landstreicher“ von 1927 kriminalisierte zunächst vor allem männliche Roma und Sinti als vermeintlich „arbeitsscheue Personen, die nicht nachweisen“ könnten, dass „ihr Lebensunterhalt sichergestellt sei“ und führte zur Internierung in „Strafarbeitslagern“. Auch Lety bei Písek war ein solches Lager, eingerichtet noch unter der Leitung tschechischer Beamter.

Eine Verschärfung der antiziganistischen Politik setzte mit der Berufung Heydrichs in das Protektorat 1941 und der Verwaltungsreform 1942 ein, innerhalb derer die relative Autonomie der tschechischen Administration aufgehoben wurde. Ab 1942 existierte das Lager für alle als „Zigeuner“ klassifizierte Personen. Im Frühjahr 1943 wurden die Gefangenen zum großen Teil nach Auschwitz deportiert, um dort vergast oder weiterhin durch Zwangsarbeit ausgebeutet zu werden.

Der Aktivist Jozef Miker (Krupka, nahe Ústí nad Labem) berichtet über die Auswirkungen der Geschichte des Lagers Lety auf seine Familie, die zum Teil in dem Lager inhaftiert gewesen ist. Nur wenige haben die rassistische Verfolgung überlebt.

Im Jahr 1973 hatte die damalige kommunistische Regierung der Tschecheslowakei eine große, industrielle Schweinemastanstalt auf dem Gelände des einstigen Lagers in Lety bauen lassen. Diese ist bis heute in Betrieb, obwohl es in den vergangenen zwanzig Jahren immer wieder Proteste bis hin zu EU-Resolutionen in den Jahren 2005 und 2008 gegeben hatte, welche die Schließung der Schweinemast auf dem Gelände forderte. Auch die konkrete historische Verantwortung für das Lager ist Gegenstand der Debatte.

Die Situation tschechischer Rom_nija heute ist extrem prekär. Alle öffentlichen Meinungsumfragen zeigen, dass die Mehrheitsgesellschaft starke Vorurteile gegen Roma hegt und Antiziganismus und Antiromaismus dominieren. Roma und Romnija werden auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt und in anderen Bereichen ihres Lebens diskriminiert. Das Schulsystem ist nahezu durchgehend segregiert.

Ivanka Mariposa Čonková (Prag) kritisiert die Sozialpolitik der tschechischen Regierung und mahnt gleichzeitig die europäischen Institutionen zum Umdenken: „Die Politik der sozialen Integration ist völlig verfehlt, denn sie hört nicht auf, uns Roma als Problem zu benennen, anstatt den Hass, der uns entgegen schlägt.“ Nach wie vor sei es verbreitet, Romnija und Roma selbst für ihre Diskriminierung verantwortlich zu machen. Allein Begriffe wie „Roma-Strategie“, „Roma-Issue“ oder „Roma-Frage“ machten dies in dramatischer Weise deutlich, so Čonková.

Über den schnell zu aktivierenden Hass und das Gewaltpotential gegenüber Rom_nija spricht der Aktivist Miroslav Brož (Ústí n.L.) in seinem Beitrag über die Hassmärsche, die in den letzten Jahren in der tschechischen Provinz stattfanden.

Dass ein Teil dieser Situation – nicht nur in der tschechischen Republik – die mangelnde Anerkennung der Verfolgung und Vernichtung von Sinti und Roma während des Nationalsozialismus ist, darüber spricht die Solidaritätsgruppe gegen Antiromaismus (Dresden). Auch Deutschland müsse endlich seine historische Verantwortung wahrnehmen. „Dass wir über die Verfolgung von Roma und Sinti vor und während, aber auch nach dem NS kaum etwas wissen, ist eng verbunden mit der Ignoranz, die Roma und Sinti auch heute noch entgegengebracht wird. Diese Ignoranz kann schnell in Hass umschlagen. Die historische Verantwortung für den Fall Lety liegt nicht allein bei Tschechien. Deutschland muss sich an den Kosten für eine Verlegung der Schweinemast beteiligen.“

Weiterhin fordert die Gruppe die deutsche Regierung auf, sich in der Asylpolitik stärker für Rom_nija aus ganz Europa einzusetzen: „Anstatt die Liste der ’sicheren Herkunftsländer‘ zu erweitern, sollte Deutschland für Roma ein sicheres Fluchtland sein“, so der Sprecher Jan Feldmann. „Die Geschichte der Verfolgung und Vernichtung von Roma und Sinti in ganz Europa reicht lang zurück und ist viel zu wenig im kollektivem Gedächtnis verankert. Der Hass gegen Roma ist ein europäisches Phänomen, welches nicht an der Grenze zu Deutschland halt macht“. Lety sei ein Symbol, welches die heutige Situation der Romnija und Roma in ganz Europa aufzeigt. „Unabhängig davon, von wem das Lager historisch zu verantworten ist, das kann so einfach nicht stehen bleiben.“

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung:
Jan Feldmann
Pressesprecher der Soligruppe gegen Antiromaismus Dresden
0157 – 32930827
email hidden; JavaScript is required
http://freelety.org/de/
https://www.facebook.com/konexeinenglish

Tschechischer Roma-Verein Konexe und seine Freunde auf Tour

Pressemitteilung der Soligruppe gegen Antiromaismus Dresden
16.03.2015

Free Lety! – Bundesweite Informationstour zur Schließung der Schweinemastanlage auf dem Gelände eines ehemaligen Konzentrationslagers für Roma

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Die Dresdner Soligruppe gegen Antiromaismus und die tscheschiche Romaorganisation Konexe sind vom 17. – 27.03. gemeinsam auf Deutschlandtour. In zehn Städten sprechen sie über das ehemalige Roma-KZ in Lety und die heutige Situation von Roma in Tschechien. Sie fordern eine Schließung der Schweinemastanlage auf dem Gelände des ehemaligen KZ, um dort ein würdiges Gedenken an den nationalsozialistischen Genozid an den europäischen Sinti und Roma zu ermöglichen. Die genauen Daten und Orte der Veranstaltungen sind hier zu finden.

Roma werden in Tschechien häufig attackiert und offen diskriminiert.
Seit Jahren gibt es regelmäßig Proteste und Übergriffe durch organisierte Neonazis. 2013 fanden fast jedes Wochenende Hassmärsche statt. In einigen Städten gingen mehr als 1.000 Neonazis auf die Straße und erhielten bei ihren gegen Roma gerichteten Mord- und Vernichtungsdrohungen Unterstützung von umstehenden Anwohner_innen. Nur die Polizei verhinderte Schlimmeres.

Die Roma-Organisation Konexe aus Usti nad Labem (CZ) engagiert sich gegen rassistische Hassmärsche, kritisiert aber zugleich auch die diskriminierende Sozialpolitik der tschechischen Regierung. Einen wichtigen Meilenstein zu einer Gleichberechtigung sieht Konexe in der Anerkennung der Verfolgung und Ermordung von Roma im Nationalsozialismus. Jan Feldmann, Pressesprecher der Soligruppe gegen Antiromaismus, erklärt hierzu: „Bezüglich der mangelnden Aufarbeitung und Anerkennung des nationalsozialistischen Genozids an Sinti und Roma ist Lety ein europäisches Symbol. Statt das Gelände des Konzentrationslagers zu einem Ort des Gedenkens zu machen, wurde dort 1973 eine industrielle Schweinemastanlage errichtet. Obwohl verschiedene Romaverbände, EU und UNO seit Jahrzehnten eine Schließung der Anlage fordern, ist bis heute nichts geschehen. Gemeinsam mit unseren Freund_innen von Konexe wollen wir in Deutschland einfordern, die Verantwortung für die NS-Vernichtungspolitik zu übernehmen. Eine Finanzierung der Verlegung der Schweinemastanlage wäre das Mindeste und würde den entscheidenden Schritt bedeuten.“

Vortrag und Diskussion:
Free Lety! Würdiges Gedenken an den Porajmos statt Schweinemast

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung:
Jan Feldmann
Pressesprecher der Soligruppe gegen Antiromaismus Dresden
0157 – 32930827
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