Schlagwort: Antiromaismus

Vortragstour im März 2015

Free Lety – würdiges Gedenken an den Porajmos statt Schweinemast!

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Vorträge der NGO Konexe zur aktuellen Situation von Rom*nja in der Tschechischen Republik

Rom*nja werden in Tschechien häufig attackiert und offen diskriminiert.
Unverhohlener Hass auf Romn*ja ist dort Alltag. Seit Jahren gibt es regelmäßig Proteste und Übergriffe durch organisierte Nazis.
Ein trauriger Höhepunkt war das Jahr 2013, in dem an fast jedem Wochenende und teilweise in mehreren Kommunen gleichzeitig Aufmärsche stattfanden. In Ceske Budejovice, Duchcov und Ostrava gingen jeweils mehr als 1.000 Neonazis auf die Straße und erhielten bei ihren gegen Roma gerichteten Mord- und Vernichtungsdrohungen Unterstützung von umstehenden Anwohner*innen. Nur die Polizei verhinderte Schlimmeres.

Die Rom*nja-Organisation Konexe aus Usti nad Labem (CZ) engagiert sich gegen rassistische Hassmärsche, kritisiert aber zugleich auch die diskriminierende Sozialpolitik der tschechischen Regierung. Einen wichtigen Meilenstein zu einer Gleichberechtigung von Rom*nja sieht Konexe in der Anerkennung der Verfolgung und der Ermordung von Rom*nja im Nationalsozialismus.
Bisher ist die Erinnerungspolitik wenig angemessen. Deutlich wird dies an der Situation in Lety (u Písku). Hier befand sich zuerst ein von den tschechischen Behörden eingerichtes Strafarbeitslager, von 1942-43 ein Konzentrationslager für Romn*ja. Etwa 400 Menschen wurden dort ermordet, mehr als zwei Drittel der Toten waren Kinder. Von dreißig im KZ Lety geborenen Säuglingen überlebte nur einer das Lager. Mehrere Hundert Gefangene wurden von Lety nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Statt nach der Befreiung das Gelände zu einem Ort des Gedenkens zu machen, errichtete die ČSSR dort 1973 eine Schweinemastanstalt. Diese ist bis heute in Betrieb. Romaverbände, EU und UNO fordern seit 20 Jahren von der tschechischen Regierung, den Betrieb zu kaufen, um in Lety ein würdiges Gedenken an die Opfer zu ermöglichen. Außer Versprechungen und symbolischen Aktionen geschah bisher jedoch wenig.

Was können wir angesichts der Hassmärsche und dem scheinbar mühevollen Kampf um ein würdiges Gedenken in Lety lernen, wenn Rom*nja in ganz Europa diskriminiert werden?

Eine Vortragstour mit Vertreter*innen von Konexe wird über die Situation von Rom*nja in Tschechien, die Geschichte des Lagers Lety und den Kampf um ein würdiges Gedenken und eine angemessene Aufarbeitung des Porajmos berichten.

Orte und Termine der Infotour:

Döbeln
Die, 17. März, 19.00 Uhr
Treibhaus e.V., Café Courage, Bahnhofstraße 56
in Zusammenarbeit mit Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen

Leipzig
Mi, 18. März, 19.00 Uhr
Lipinski-Forum, Rosa-Luxemburg-Straße 19/21
parallel in diesen Räumen: Ausstellung “Geschichte, Genozid und Gegenwart der Roma und Sinti in Böhmen und Mähren” (16.-27.03.2015)
Kooperation: Romano Sumnal und ecoleusti
in Zusammenarbeit mit Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen

Halle/Saale
Do, 19. März, 19.00 Uhr
Reilstrasse 78
Kooperation: Miteinander e.V.
in Zusammenarbeit mit Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen

Heidelberg
Fr, 20. März, 19.00 Uhr
Heidelberger Kunstverein, Hauptstraße 97

Frankfurt/Main
Sa, 21. März, 16.15 Uhr
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Campus Westend, Norbert-Wollheim-Platz 1, IG-Farben Haus, Raum 254
Kooperation: Förderverein Roma e.V., Aktion Sühnezeichen Friedensdienste Frankfurt/M. und das Fritz-Bauer-Institut

Dortmund
So, 22. März, 19.30 Uhr
Nordpøl, Münsterstr. 99

Düsseldorf
Die, 24. März, 19.00 Uhr
V6 , Vollmerswertherstr. 6
Kooperation: Ternodrom e.V.

Duisburg
Mi, 25. März, 19.00 Uhr
SJD – Die Falken Duisburg, Düsseldorfer Str. 399, Kleiner Saal

Hamburg
Do, 26. März, 19.00 Uhr
Rom und Cinti Union (RCU e.V.), Rellingerstrasse 23

Berlin
Fr, 27. März, 19.00 Uhr
Infoladen der Naturfreundejugend Berlin, Weichselstraße 14, Neukölln (barrierearm)
Kooperation: Amaro Foro e.V.

Die Vorträge werden in englischer Sprache gehalten. Wenn benötigt oder gewünscht, können wir eine deutsche (Flüster-)Übersetzung anbieten.

Die Vortragstour wird finanziell unterstützt vom Anne-Frank-Fonds Basel und dem Bildungswerk Weiterdenken − Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen.
Ergänzend sind wir aber auch auf Spenden angewiesen; alternativ kann auch via Überweisung an folgende Bankverbindung gespendet werden: kosmotique e.V. Dresden, Betreff „Free Lety“, IBAN: DE83430609671130360500, BIC: GENODEM1GLS, GLS Gemeinschaftsbank

Hier zum download: Plakat und Flyer zur Infotour als pdf.

Während der Veranstaltungen behalten wir uns als Veranstaltende vor, von unserem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die neonazistischen Parteien oder Organisationen angehören, der neonazistischen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.

Wer für Menschen- und Bürgerrechte auf die Straße geht, schadet niemandem. Solidarität mit den non-citizens in Dresden, Deutschland und Europa!

Folgende Stellungnahme kann unterzeichnet, geteilt und auf den eigenen Blogs veröffentlicht werden. Sie spiegelt die Meinung vieler Aktivist*innen aus Dresden wider, die sich derzeit und seit vielen Jahren für die Rechte von Refugees und gegen den rassistischen Normalzustand in Dresden, Sachsen und darüber hinaus engagieren.

“Das Asylum Seekers Movement und unterstützende Gruppen in Dresden haben am Dienstag erklärt, vorerst nicht mehr vor dem Theaterplatz übernachten zu wollen. Nach einem Angriff auf das Camp am Montag durch PEGIDA-Anhänger*innen, darunter auch organisierte Neonazis und Hooligans von Dynamo Dresden, und unter dem Druck der Polizei, die eine Räumung am Dienstag morgen mit massiver Präsenz erzwang, ist dieser Schritt aus unserer Sicht nachvollziehbar. In Dresden ist die Sicherheit von Menschen, die sich öffentlich gegen PEGIDA und für die Rechte von Geflüchteten und People of Color engagieren, nicht gewährleistet. Das ist eine Schande.

Der politische Protest der in Dresden aktiven Gruppen ist dabei Teil einer größeren Bewegung von engagierten Geflüchteten und Unterstützer*innengruppen deutschland- und europaweit. Es geht dabei um die grundlegenden und systematischen Probleme, mit denen viele Geflüchtete konfrontiert sind: Rassistische Politik und Bürger*innen, gesellschaftlicher Ausschluss, ökonomische Ausbeutung und die deutsche und europäische Asyl- und Grenzpolitik, die häufig tödlich sind. In Deutschland und in Sachsen äußern sich die Probleme vor allem in der Unterbringung in Heimen, den überlangen Asylverfahren, der unzulänglichen medizinischen Versorgung und sozialen Betreuung oder dem fehlenden Zugang zu Sprachkursen. Politische Teilhabe ist ebenfalls nicht gewollt.

Zum Teil sind die Probleme inzwischen auch in der Landesregierung und den Verwaltungen angekommen. Sie bestehen aber weiterhin, und das jüngste Positionspapier der Sächsischen CDU zeigt einmal mehr, wie Asylsuchende in unserem Staat objektiviert werden: Integration beginne erst dann, wenn eine Bleiberechtsperspektive vorhanden sei, ansonsten müssten Abschiebungen konsequent durchgesetzt werden und gar der Rechtsschutz bei negativen Bescheiden verkürzt werden. Bei Straftaten solle nicht das Strafrecht, sondern das Asylrecht gelten und damit schneller abgeschoben werden können. Auf Bundeseben steht zudem die Verschärfung des Aufenthaltsrechts kurz bevor; unter anderem wird es bald möglich sein, Menschen, die hier um Asyl nachsuchen, noch schneller inhaftieren zu können.

Oben genannte Gründe legitimieren einen öffentlichen Protest und Aktionen im öffentlichen Raum durch diejenigen, die von dieser Politik betroffen sind. Dabei spielt es keine Rolle, woher Teilnehmende dieser Aktionen kommen, denn in Chemnitz oder Amberg sind die Verhältnisse nicht besser oder schlechter als an anderen Orten in Deutschland oder Sachsen. Die Forderungen des Refugee Struggle Dresden sind auch nicht auf Dresden begrenzt oder auf die Teilnehmenden: Sie gelten vielmehr für alle Geflüchteten in Sachsen und Deutschland, denn ein sicherer Aufenthalt, eine gute Unterbringung und medizinische Versorgung, ein selbsbestimmtes Leben und eine Perspektive für die Zukunft sind im Interesse aller Refugees.

Die Kritik an den Non-Citizens, sie seien bereits vorher an anderen Orten aktiv gewesen und könnten aufgrund ihrer Herkunft nicht für Dresdner Flüchtlinge sprechen, ist heuchlerisch und nur ein Versuch, eine Bewegung zu spalten. Die Vereine, die durch den Kampf der Refugees ihre Arbeit in Gefahr sehen bzw. befürchten, dass sich der Einsatz von Geflüchtenen für bessere Lebensbedingungen negativ auf andere Asylsuchende auswirken könnte, werden durch solche Aussagen zum Sprachrohr der herrschenden, konservativ-dominierten Politik und Gesellschaft, die Geflüchteten seit Jahrzehnten den Mund verbieten will und eine unbedingte Anpassung fordern. Notwendig ist es aber, sich von solch einem Diskurs zu befreien und endlich gesehen und beachtet zu werden, denn nur dann wird sich die Situation für alle Geflüchteten auch verbessern.

Daher stehen wir solidarisch hinter dem Refugee Struggle Dresden, dem Asylum Seekers Movement, der Initiative Remembering Khaled und allen Menschen und Gruppen, die für die Wahrnehmung und die Rechte von Geflüchteten und für Menschen- und Bürgerrechte auf der Straße oder an anderen Orten kämpfen. Die Form und Wahl der Mittel des politischen Kampfes, die die Non-Citizens wählen, muss dabei ihnen überlassen bleiben. Die Ereignisse der letzten Monate in ganz Sachsen machen eine Positionierung notwendig und wir werden weiter dafür kämpfen, dass Geflüchtete keine Menschen zweiter Klasse in Deutschland bleiben!”

Spendenaufruf der Soligruppe gegen Antiromaismus Dresden

Seit einem guten Jahr versuchen wir als Soligruppe von Antiromaismus betroffene Menschen zu unterstützen. Anlass für die Gründung waren die antiromaistischen Ausschreitungen in Tschechien, zu denen es nur 50km Luftlinie von Dresden entfernt seit einigen Jahren regelmäßig kommt. Für uns ist klar, dass Solidarität nicht an der Staatsgrenze aufhören kann. Und so versuchen wir seit dieser Zeit in enger Zusammenarbeit mit Menschen aus der Tschechischen Republik – Rom*nja wie Nicht-Rom*nja – dem wachsenden Antiromaismus etwas entgegenzusetzen.

Die Situation der Rom*nja in der Tschechischen Republik ist kritisch. Alle öffentlichen Meinungsumfragen zum Thema zeigen, dass die Mehrheit der Tschech*innen starke Vorurteile gegen Romn*ja hegt und eine deutliche Anti-Roma Einstellung vertritt, so dass Antiziganismus und Antiromaismus dominieren. Rom*nja werden auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt, im Schulsystem und in anderen Bereichen ihres Lebens diskriminiert. Dieser Status quo dauert seit dem Zusammenbruch des Sozialismus an und verschlimmert sich in Zeiten der ökonomischen Krise erheblich.

Die fehlende Erinnerung an den Porajmos, den nationalsozialistischen Genozid an Rom*nja und Sint_ezze, ist ein Teil des Problems. Auch in Tschechien wurde bereits vor der Besetzung durch Nazideutschland eine antiziganistische Diskriminierungspolitik betrieben. Unter deutscher Besatzung wurden eigene KZs für sogenannte “Zigeuner” eingerichtet. Wie in Deutschland wurde die rassistische Komponente dieser Kriminalisierungspolitik lange nicht anerkannt. Vielmehr wurden Entschädigungsansprüche der Betroffenen in der postnationalsozialistischen Gesellschaft abgelehnt mit der Begründung, dass es sich hierbei nicht um eine rassistisch motivierte Verfolgungspraxis, sondern lediglich um Kriminalitätsbekämpfung gehandelt habe.

In Lety u Písku, 80 Kilometer südlich von Prag, befand sich ein solches Konzentrationslager, in dem Romn*ja inhaftiert wurden. Es wurde 1939 von den tschechischen Behörden als sogenanntes Strafarbeitslager eingerichtet und wandelte sich unter der deutschen Besatzung zu einem Konzentrationslager, in dem ganze Familien unter katastrophalen Bedingungen interniert wurden. Der Tod von mindestens 400 Menschen wurde unter der Lagerleitung von Josef Janovský, einem fanatischen Antiziganisten, gezielt herbeigeführt. Wieviele dort tatsächlich starben, kann nur eine archäologische Untersuchung klären. Die Überlebenden wurden nach dem sogenannten Auschwitz-Erlass Ende 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Im Jahr 1973 wurde in der ČSSR eine industrielle Schweinemastanstalt auf dem Gelände des einstigen Lagers in Lety errichtet. Diese Farm existiert bis heute und ist nach wie vor in Betrieb. Die ČSSR hat 1975 die Schlussakte von Helsinki unterzeichnet, in der vereinbart wurde, die Gelände des Holocaust zu Orten des Gedenkens und der Ehrfurcht zu machen. Trotzdem suhlen sich bis heute Schweine direkt an dem Ort, an dem Romnja und Roma ermordet und gefoltert wurden.

Durch den Zusammenbruch des Sozialismus 1989 ergaben sich ideale Bedingungen für die Schließung der staatseigenen Schweinemastanstalt in Lety. Sie wurde aber nicht geschlossen, sondern privatisiert. Erst als 1994 zufällig Originaldokumente aus dem Lager auftauchten und veröffentlicht wurden, setzte eine Debatte um die historische Bedeutung des Ortes ein. Seitdem werden die wechselnden tschechischen Regierungen von verschiedenen Romaverbänden, EU und UNO unter Druck gesetzt, die Farm zu kaufen, sie zu schließen, sie von Schweinemist zu reinigen und ein würdevolles Denkmal für die Opfer auf dem Gelände zu errichten. Außer Versprechungen und symbolischen Aktionen geschah jedoch nichts – es wurde lediglich neben der stinkenden Schweinemastanstalt ein Denkmal errichtet. Teilweise wird von tschechischen Politiker*innen und Historiker*innen sogar bestritten, dass es sich bei Lety um ein “richtiges KZ” handelte, um u.a. die Verantwortung über das Fortbestehen der Schweinefarm von sich zu weisen.

Die Roma-Initiative Konexe aus Usti nad Labem hat im Frühjahr 2014 eine neue Kampagne mit dem Ziel initiiert, dass die Schweinemastanlage geschlossen und auf dem Gelände eine würdige Gedenkstätte errichtet wird. Im März 2015 wollen wir gemeinsam mit Konexe eine größere Infotour durch Deutschland machen, auf der über Lety, den Porajmos und den Umgang mit diesem Thema in der tschechischen Gesellschaft informiert wird. Ziel ist es, auch von Deutschland aus den Druck zu erhöhen.

Die Infotour, die monatlichen Kundgebungen und Blockaden in Lety, sowie die Demonstation in Berlin wird im nächsten halben Jahr den Hauptteil unserer Arbeit ausmachen. Um sie jedoch zu ermöglichen und auch den tschechischen Aktivist*innen die Tour durch Deutschland zu finanzieren, brauchen wir Geld. Jeder Euro hilft uns dabei, dieses Ziel umzusetzen.

Spenden bitte auf folgendes Konto:
kosmotique e.V.
GLS Gemeinschaftsbank e.G.
BIC: GENODEM1GLS
IBAN: DE83430609671130360500
Betreff: Lety

Oder unterstützt uns im Rahmen unserer Crowdfundingkampagne.

Auch Kleiderspenden für den kommenden Winter können weiterhin gerne in der kosmotique abgegeben werden.

kosmotique e.V.
Martin-Luther-Str. 13
01099 Dresden
geöffnet jeden Mittwoch ab 20 Uhr

solidarity_not_charity [at] riseup.net

Roma Pride in Prag!

Am 04.10.2014 findet in Prag eine Roma – Pride statt.
Den ganzen Tag über gibt es verschiedene themenspezifische Veranstaltungen und wir wollen aus Dresden anreisen.
Unser Ziel ist es um 13Uhr an der Demonstration teilzunehmen.
Darum treffen wir uns 7.30 Uhr vor dem Bahnhof Neustadt, um gemeinsam nach Prag zu fahren.
@FB

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Serbien, Bosnien und Mazedonien sind keine sicheren Herkunftsländer!

Gemeinsame Presseerklärung von Romano Sumnal e.V. (sächsischer Romaverein, Leipzig), Solidaritätsgruppe gegen Antiromaismus (Dresden) und Leipzig Korrektiv (Leipzig)
18. September 2014

Serbien, Bosnien und Mazedonien sind keine sicheren Herkunftsländer!

Am heutigen Freitag entscheidet der Bundesrat über eine Änderung des Asylrechts, durch die Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärt werden sollen. Diese Änderung würde es möglich machen, Asylsuchende aus den genannten Ländern pauschal abzuschieben, ohne ihre Anträge zu prüfen. Leidtragende werden in erster Linie Roma sein.

Zahlreiche Gutachten und Reportagen1 haben in den letzten Monaten gezeigt, dass die Länder des Westbalkans keinesfalls sicher für die dort lebenden Roma sind. Sie sind rassistischen Übergriffen ausgesetzt, haben keine Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt und sind in Politik wie Verwaltung unterrepräsentiert. Roma, die oft jahrzehntelang in Deutschland gelebt haben und nun dorthin abgeschoben wurden, stehen meist vor dem Nichts.

Aber darum ging es bei der Entscheidung von CDU, CSU und SPD auch nicht. Die Verschärfung des Asylrechts ist Folge einer medialen Hetzkampagne gegen „Sozialtourismus“ und „Asylmissbrauch“, die antiromaistische Stereotype aufgreift und bedient. In Wahlkämpfen wird mit diesen Stimmung gemacht, anstatt sie zu bekämpfen. Dabei sind die Zahlen alarmierend: Ein Drittel aller Deutschen äußerte in einer Studie, die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes herausgegeben wurde, dass sie Roma als Nachbarn „eher oder sehr unangenehm“ fänden.2

„Die Bundesregierung muss sich ihrer Verantwortung endlich bewusst werden und die Europäischen Roma im Kampf um ihre Rechte unterstützen anstatt mit Gesetzesentwürfen, wie dem aktuellen, nur weiter an der Unterdrückung der Menschen zu arbeiten“, erklärt Gjulner Sejdi, Vorsitzender des sächsischen Romavereins Romano Sumnal e.V.“

Sandra Meier von der Dresdner Solidaritätsgruppe gegen Antiromaismus appelliert: „Wir fordern die sächsische Staatsregierung auf, dem Gesetz nicht zuzustimmen. Asylsuchende aus Serbien, Mazedonien und Bosnien kommen nach Deutschland, weil sie dort nicht sicher sind. Außerdem fordern wir die sächsischen Grünen auf, auf ihre Parteikolleg_innen in anderen Bundesländern einzuwirken, dass sie dem Gesetz nicht zustimmen.“ Meier weiter: „Gegen antiromaistische Einstellungen in der Gesellschaft muss mehr getan werden.“

1Für einen ersten Einstieg: http://www.alle-bleiben.info/sichere-herkunftslaender-ein-schlag-ins-gesicht-fuer-verfolgte-roma/ ; http://www.proasyl.de/de/presse/detail/news/von_wegen_sichere_herkunftsstaaten/

2http://www.spiegel.de/politik/deutschland/roma-und-sinti-studie-ueber-antiziganismus-in-deutschland-a-989616.html

Antiromaismus in den Medien

Eine im Auftrag des Dokumentationszentrums deutscher Sinti und Roma erarbeitete Studie zeigt, wie weit antiromaistische Stereotype in deutschsprachigen Medien verbreitet sind.
Die Studie kann hier eingesehen werden.
Einen kurzen Bericht der Taz findet ihr hier.

Antiromaismus in Deutschland – Öffentliche Wahrnehmung und Interventionsmöglichkeiten

Workshop am 21.06.2014, 11.00 Uhr bis 16.00 Uhr im Herbert-Wehner-Saal, Könneritzstraße 5, Dresden.

Antiromaistische Stereotype sind in Deutschland nach wie vor massiv präsent und werden in der öffentlichen Debatte von verschiedensten Akteur_innen bedient. Wir wollen in diesem Workshop an aktuellen Beispielen antiromaistische Denkmuster erkennen lernen und gemeinsam überlegen, wie wir ihnen im öffentlichen Diskurs Paroli bieten können. Wenn Du/Sie an dem Workshop teilnehmen möchten, bitte schreib/schreiben Sie uns eine email email hidden; JavaScript is required.

Heute haben wir gesiegt! – Der 1. Mai in Ustí

Am ersten Mai trafen sich in Ústí nad Labem fast alle politischen Spektren, um angesichts der Europawahl für sich zu werben. Auch 250 Nazis aus verschiedenen Ländern Europas marschierten durch die Innenstadt. Doch anders als in den vergangenen Jahren, blieben die Roma und Romnja in diesem Jahr nicht zu Hause. Zum ersten Mal gingen sie gemeinsam mit Antifaschistinnen und Antifaschisten auf die Straße, um gegen den Aufmarsch zu demonstrieren. Weiterlesen

Artikel der Soligruppe in Analyse und Kritik (ak 593)

Antifaschistische Selbsthilfe

International: Mit Blockaden wehren sich Roma und AntifaschistInnen gegen Neonazis in der Tschechischen Republik

Von der Soligruppe gegen Antiromaismus Dresden

Proteste und Übergriffe durch organisierte Nazis gegen Roma sind seit vielen Jahren in der Tschechischen Republik Realität. Im Jahr 2013 fanden fast an jedem Wochenende und teilweise in mehreren Kommunen gleichzeitig Aufmärsche statt. In Ceske Budejovice, Duchcov und Ostrava gingen im Mai 2013 jeweils mehr als 1.000 Neonazis auf die Straße. Unter Rufen wie »Zigeuner ins Gas!«, »Zigeuner zur Arbeit!« oder »Zigeuner abschlachten!« erhielten sie von umstehenden AnwohnerInnen Unterstützung. Nur die Polizei verhinderte, dass der Mob in die Häuser der Roma eindrang. Während dieser »heißen Phase« der Proteste starb der Rom Ivan Jarka (46) durch 21 Messerstiche, als er von Nazis attackierten Jugendlichen zu Hilfe eilte.

In diesem romafeindlichen Umfeld organisiert die Nichtregierungsorganisation Konexe aus Usti n. L. seit 2011 eine ganz eigene Form von Selbsthilfe. Die Organisation besteht zum großen Teil aus Roma und solidarischen AntifaschistInnen. Dabei geht es nicht um eine bessere Qualifikation oder Arbeitsbeschaffung für Roma. Unter dem Motto »černí, bílí, spojme síly!« (Schwarz, weiß, vereint kämpfen!) organisiert Konexe Antinaziproteste und orientiert sich dabei an Blockadestrategien, wie sie etwa durch Dresden Nazifrei! angewandt wurden.
Und diese Form der Selbsthilfe ist dringend nötig. Als im September 2011 in Varnsdorf direkt an der deutsch-tschechischen Grenze Neonazis Proteste gegen die dort lebenden Roma-Familien initiierten, wurde schnell klar, dass die Attackierten allein sind. NachbarInnen solidarisierten sich nicht, sondern beteiligten sich an den Naziaktionen.
Vorgänge dieser Art ließen sich seitdem in vielen Orten Tschechiens beobachten. Sie sind offener Ausdruck einer antiromaistischen Stimmung, die im ganzen Land dominiert. Antiromaistischer Populismus wird dabei von allen Schichten bedient, auch den gesellschaftlichen Eliten. Im Zuge des neoliberalen Umbaus der osteuropäischen Länder in den 1990er Jahren veränderte sich das gesamte soziale Sicherungssystem hin zu einer Aktivierungspolitik, die soziale Ungleichheiten komplett individualisiert.
Das Modell des aktivierenden Sozialstaats trifft vor allem Roma, die durch den Zusammenbruch ganzer Industriezweige und einer massiven Schrumpfung des Arbeitsmarktes nicht mal mehr Hilfsjobs finden. Aktivierung – also ein anderes Wort für »Druck ausüben« – führt zu Kürzungen sozialer Leistungen, Verelendung und Segregation vieler Roma.
Nur selten stellen sich PolitikerInnen auf ihre Seite. Die Aufforderungen der EU an die tschechischen Regierungen vor allem an der Schulpolitik für Roma-Kinder etwas zu ändern, scheitert am Willen zur Umsetzung. Die Regierungsparteien wollen wiedergewählt werden. Weiße Eltern protestieren massiv gegen die Schließung der »Förderschulen«, in denen fast ausschließlich Roma-Kinder unterrichtet werden. PolitikerInnen bedienen dann das Ressentiment von »behinderten« und »zurückgebliebenen« Roma, um das segregierte Schulsystem zu rechtfertigen. Hier vermischen sich Rassismus und neoliberales Denken und führen zu einer Ethnisierung von Armut und Unterschicht.
Seit einigen Jahren, vor allem im Zuge von Wahlkämpfen, forcieren Neonazis mit einigem Erfolg ein offenes und brutales Vorgehen gegen Roma. Im Jahr 2013 meldete hauptsächlich die DSSS (Dělnická strana sociální spravedlnosti), die »Arbeiterpartei« mit ihrem Vorsitzenden Tomáš Vandas, solche Demonstrationen an. Unter dem Motto »Radikal. Sozial. National« oder »Europa, jung und revolutionär« veranstaltete sie zuletzt Ende 2013 eine Kundgebung in Prag. Mit dabei als RednerInnen waren Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der NPD. An diesen sogenannten Hassmärschen beteiligen sich aber auch autonome Gruppen wie Czech Lions oder die Svobodná mládež (Freie Jugend).
In den kommenden Wochen ist wieder mit antiromaistischen Aufmärschen zu rechnen, denn das Mobilisierungspotenzial ist hoch und wird medial angeheizt. Rechten Parteien wie der DSSS werden inzwischen deutlich mehr Chancen zugesprochen, bei den anstehenden Europawahlen Sitze im EU-Parlament zu gewinnen. In dieser Situation ist davon auszugehen, dass Neonazis sich wieder vor Häusern, in denen Roma leben, postieren werden. Auch Konexe steht dabei im Fokus. Erst Ende März protestierten 150 Neonazis in der Kleinstadt Duchcov gegen die Organisation, diesmal allerdings ohne Beteiligung der EinwohnerInnen und ohne Ausschreitungen wie im Jahr 2013.

Die Soligruppe gegen Antiromaismus aus Dresden steht im Austausch mit AktivistInnen von Konexe und Ne Rasismu! in Usti. Aktuelle Informationen: http://namf.blogsport.de

Sammelabschiebungen von Roma nach Serbien, Mazedonien und Bosnien verletzen Menschenwürde und Menschenrecht auf Asyl

Das Namf – Netzwerk Asyl, Migration, Flucht veröffentlichte folgende Pressemitteilung:

Das Netzwerk Asyl Migration Flucht verurteilt Massenabschiebungen von Roma in den Westbalkan. Die von der Bundesregierung angestrebte Sichere-Dritt-Staat-Regelung verhindert Einzelfallüberprüfungen und sorgt für ethnische Diskriminierung. Sachsen vollzieht Abschiebungen auch von Kranken und Schwangeren.

Das NAMF Dresden sieht im politischen Vorgehen der Bundesregierung und der vollziehenden Behörden des Bundes und der Länder deutliche Anzeichen für eine ethnische Diskriminierung von Roma: “Durch die angestrebte Deklarierung von sechs Balkanstaaten als „Sichere Herkunftsstaaten“ wird das Prinzip der Einzelfallentscheidung für betroffene Flüchtlinge aus diesen Ländern faktisch ausgehebelt”, so Stefan Stein vom Netzwerk. „Angesichts der massiven und nachgewiesenen Diskriminierungen, die Roma in diesen Ländern erfahren, gleicht dies einer ethnischen Diskriminierung.” Die Bundesregierung begründet ihr Vorgehen unter anderem mit der geringen Asylanerkennungsquote: „Dies ist aber eine Milchmädchenrechnung, weil das Bundesamt für Migration und Flucht (BAMF) europäisches und deutsches Recht nur unzureichend anwendet und damit für die geringen Quoten selber sorgt“, so Stein weiter.

Das NAMF Dresden fürchtet nach den Erfahrungen aus anderen Bundesländern nun auch wieder Sammelabschiebungen aus Sachsen: „Wir konnten in den letzten Wochen in Erfahrung bringen, dass für Ende März und Anfang April bundesweit Sammelabschiebungen angekündigt sind und befürchten, dass sich auch das Land Sachsen an diesen beteiligt“. Sachsen schiebt aber bereits seit einigen Monaten immer wieder Personen in die ehemaligen Staaten Jugoslawiens ab: „Dabei haben wir von einigen schlimmen Fällen erfahren: Im Februar wurde in Borna eine Frau im 7. Monat abgeschoben. In Dresden wurde Mitte Februar eine fünfköpfige Familie abgeschoben, obwohl die Mutter einen Herzfehler hatte und dringend eine Behandlung in Deutschland benötigte“. Vielen betroffenen Personen wird vorher die freiwillige Ausreise aus zweckfremden Erwägungen nicht gestattet, sodass es zu Abschiebungen kommt. „Wir verurteilen diese Praxis der Eskalation, um Menschen die Wiedereinreise nach Deutschland nicht zu ermöglichen. Wir rufen die sächsischen Vollzugsbehörden dazu auf, sich an den Grundsätzen des weltweit anerkannten Rechts auf Asyl zu halten“, so Stein.

Die NPD und rechte „Bürgerbewegungen“ nutzen antiziganistische und andere rassistische Stereotypen, um Stimmung gegen Asylsuchende in Deutschland zu erzeugen. Im Schatten der anstehenden Europa- und Kommunalwahlen gibt ihnen die deutsche Regierung mit der Verweigerung der Schutzbedürftigkeit auch für Menschen aus Albanien, Montenegro und dem Kosovo recht. Kritische Stellungnahmen von Pro Asyl oder entsprechende Berichte der EU-Kommission werden dabei nicht berücksichtigt.

“Die Folge dieser Politik”, so Stefan Stein, “ist das In Kauf nehmen von Leid und Elend einer ganzen Gruppe von Menschen zugunsten von Wählerstimmen”. Dies entspricht weder der historischen Verantwortung Deutschlands noch den internationalen Menschenrechtsbestimmungen oder der Genfer Flüchtlingskonvention. “Wir verurteilen diese Politik sowie die sich weiter ankündigenden pauschalen Massenabschiebungen deshalb mit Nachdruck”, so Stefan Stein abschließend. So ist für den 8. April eine Abschiebung von Hannover nach Skopje geplant – dem Internationalen Tag der Sinti und Roma.