Kategorie: Porajmos

Buchenwald überlebt, aber repressiert unter dem Staatlichen Antifaschismus: Die Nicht-Aufarbeitung des Porrajmos in der DDR

Vortrag und Diskussion mit Natalia Fomina

Porrajmos ist ein Wort aus dem Romanes. Es bedeutet das Verschlingen und bezeichnet den Völkermord an den europäischen Romn*ja und Sinti*zze in der Zeit des Nationalsozialismus. Etwa 500.000 Angehörige der Gruppe wurden ermordet. Viele gefoltert, verfolgt und enteignet.

Nach 1945 wurden Rom*nja und Sint*ezze nach denselben rassistischen Mustern ausgegrenzt, wie vor und während des NS. Dieser Vortrag befasst sich mit der bruchlosen Repression der Minderheit im postnational-sozialistischen Deutschland und nimmt dabei die DDR in den Blick. Diese setzte sich explizit als Antithese zum Nationalsozialismus und auch zur BRD.
Als offiziell antifaschistisch bot sie die Hoffnung einer entsprechenden Aufarbeitung und Erinnerung und aufrichtigen Umgang mit den Überlebenden. In ihrem Vortrag erläutert Natalia Fomina jedoch warum, der staatliche Antifaschismus nicht antirassistisch war und darüber hinaus die postnationalsozialistische Gewalt vor allem gegenüber Sinti*zze in politischen und behördlichen Maßnahmen unsichtbar machte.

Die historische Analyse zeigt, dass der Holocaust längst nicht aufgearbeitet ist und, dass der tiefsitzende Rassismus gegenüber Roma und Sinti nach 1945 besondere Aufmerksamkeit erhalten muss.

Die Veranstaltung startet am 15.11.23 um 19 Uhr im Rahmen des “Tresen gegen Antiromaismus”.

kosmotique, Martin-Luther-Str. 13, 01099 Dresden

Gedenken in Lety am 14.5.2023

Unser Beitrag basiert auf dem Beitrag Ecole Usti vom 15.05.23:

Gedenken in Lety 14.5.2023

Am 14.5.2023 fand in Lety bei Písek die jährliche Gedenkfeier für die Opfer des Porajmos statt. Nach fast dreißig Jahren war es das erste Mal, dass ein tschechischer Staatspräsident an teilnahm. Staatspräsident Petr Pavel erkannte die Notwendigkeit zur Aufarbeitung an.

In dem ehemaligen Konzentrationslager wurden mehrere hundert Sinti und Roma gefangen gehalten und im Mai 1943 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Fast alle tschechischen Sinti und Roma sind während der nationalsozialistischen Besatzung ermordet worden. 

Auf dem Gelände des ehemaligen KZ Lety (bei Písek) wurde noch bis 2018 eine Schweinemastanstalt betrieben. Seit den 1990iger Jahren war dagegen von Angehörigen der ermordeten Familien und der tschechischen und europäischen Zivilgesellschaft protestiert worden. Im Jahr 2018 wurde die Schweinemast endlich geschlossen und das Gelände vom Staat gekauft.

Der diesjährige Auftritt der tschechischen Regierung beim Gedenken in Lety ist bemerkenswert. Die Redner*innen erkannten die Beteiligung auch von tschechischen Wachmannschaften an den Verbrechen des Porajmos an. Insgesamt wurde der Wille bekundet ein neues Kapitel in der Geschichte des Konzentrationslagers Lety und dem Umgang damit aufzuschlagen. Im kommenden Jahr soll die Gedenkstätte fertig gestellt werden. 

Die Rede des Menschenrechtsaktivisten Miroslav Brož der NGO Konexe aus Ústí nad Labem sorgte zum Schluss der Veranstaltung noch einmal für Aufsehen. Herr Brož erkannte die gemachten Fortschritte an, kritisierte aber deutlich das nach wie vor segregierte Schulsystem, welches Kindern aus Romafamilien konsequent und systematisch den Zugang zum Regelschulsystem und damit zu einer Chance auf Bildung und Ausbildung versperrt. Weiterhin kritisierte er den Umgang mit ukrainischen Rom*nja im Jahr 2022, die im Gegensatz zu weißen ukrainischen Geflüchteten, mit massiver Zurück- und Ausweisung konfrontiert wurden. 

Außerdem unterstrich Herr Brož die Notwendigkeit sich mit Polizeigewalt gegenüber Roma auseinanderzusetzen, wie der Fall des wahrscheinlich von Polizisten getöteten Stanislav Tomáš zeige.

Das Tschechische Fernsehen und der Infonewsserver http://www.romea.cz übertrugen die gesamte Gedenkveranstaltung live und berichteten umfangreich. Die Reden lassen sich auf Englisch nachlesen.

Staatspräsident Petr Pavel twitterte am Sonntag: „Der Kampf für Freiheit und Menschenrechte ist heute genauso relevant wie in der Vergangenheit. In Lety haben wir das Andenken der Roma und Sinti-Opfer des Holocaust gewürdigt. Wir müssen uns an diese Ereignisse erinnern und gleichzeitig daraus lernen. Der Wert des menschlichen Lebens wird nicht durch die ethnische Zugehörigkeit bestimmt. Wir haben alle das gleiche Recht auf Leben.“ Quelle: twitter.com


Mission Lifeline Vorberichterstattung vom 13.5.2023

Radio Prag 15.5.23

Frankfurter Rundschau vom 15.5.23